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1 - Herzlich Willkommen

in Past 22.03.2017 12:07
von biaggi • 26 Beiträge | 32 Punkte

HERZLICH WILLKOMMEN


Ich ging in unserem Wohnzimmer vor lauter Aufregung ständig auf und ab. Mein Freund Elias schaute nun skeptisch von seinem gemütlichen Platz auf dem Sofa hoch. Scheinbar hatte er meine Hibbeligkeit bemerkt. Scheinbar? Sie war ja ganz offensichtlich! „Jetzt bleib mal ganz locker. Sie werden dich da schon nicht auffressen.“ „Darum geht es mir ja gar nicht! Was ist, wenn es Walley nicht gefällt?“ Ja, ich dachte wohl immer zuerst an mein Pferd.

Ach ja, ihr kennt ja weder mich noch Walley. Also, Selbstvorstellung gefällig?
Ich bin Bianca Rinke, 23 Jahre alt und total pferdeverrückt – schon in ganz jungen Jahren. Ich wurde von meinen Eltern reitsporttechnisch immer gefördert, kam in meiner Paradedisziplin Springen sogar bis zur Klasse L. Aber wie es das Schicksal so wollte, klappte es mit dem Geld nicht mehr so und ich musste mein geliebtes Hobby irgendwann aufgeben. Es brach mir als Kind das Herz, aber was sollte man anderes machen? Ich lebte also mein Teenagerleben, machte Abitur und schloss eine Ausbildung ab, bis vor 2 Jahren dann Walley in mein Leben kam.
Walley heißt eigentlich Wonder World DC und ist als Westfale gebrannt worden. Das Tolle an ihm: Er ist ein echtes Chameleonpferd haha. Im Winter Rappe, im Sommer dunkler Brauner. Ganz so schlimm ist es vielleicht nicht, aber ich finde es immer lustig zu erwähnen. Meistens trägt der Gute eine Stehmähne, was sein sportliches Aussehen in meinen Augen noch unterstreicht.
Gezüchtet wurde Walley auf dem Reitgut Descando, kam dann zur Deckstation Lindenhof, wo er auch eine Tochter stehen hat und ist nun bei mir in Privatbesitz. Auf Lindenhof wurde er schon sehr früh recht weit gefördert, hatte dann aber einen Unfall, bei dem er leider seine Männlichkeit verlor, aber sonst keine weiteren Schäden davontrug. Somit wurde auch sein Training gedrosselt. Als er am Anfang zu mir kam, war er durch die vielen Erfolge in seinem jungen Leben ein wenig abgehoben. Darum habe ich in den letzten Jahren nicht einmal einen winzigen Gedanken an Turniere oder öffentliche Auftritte verschwendet und erst mal ganz viel an Vertrauen, „Geben und Nehmen“ und so weiter mit ihm gearbeitet.
Da unser alter Stall nun leider wegen Altersgründen aufgegeben wurde, habe ich mich für den Reitverein Eichenau als neue Heimat für Walley entschieden. Er liegt ungefähr im selben Abstand zu meinem Wohnort, nur in der entgegengesetzten Richtung. Besser kann man es nicht haben, oder?
Nun möchten wir aber in nächster Zeit wieder angreifen und uns den Höhen wieder stellen mit dem großen Ziel, wieder auf Turnieren zur starten.


Eine Stunde später war es endlich soweit. Ich fuhr mit meinem kleinen Auto schon mal zum Stall während Elias mit unserem anderen Auto und Pferdeanhänger auf dem Weg war, Walley zu holen. Er musste nicht viel machen, da mir die Leute aus dem alten Stall meinen Wallach schon transportfertig gemacht hatten.
Auf Eichenau angekommen ging ich schnell ins Haupthaus, um Jana über die Ankunft zu informieren. Ich klopfte an die Bürotür und ein freundliches „Herein!“ kam mir entgegen. Ich drückte die Klinke nach unten und die Tür sprang auf. Ich glaube, ich hatte ein wenig zittrige Hände und ein etwas unsicheres Auftreten, worauf Jana gleich einging. „Hallo Bianca! Du bist ja blass. Ist alles ok?“ Ich musste etwas schmunzeln. „Nein nein, alles ok. Ich bin nur etwas aufgeregt. Deswegen bin ich auch hier. Walley, also Wonder World, müsste in circa 20 Minuten hier eintreffen. Mein Freund Elias holt ihn gerade.“ „Nenn ihn ruhig Walley. Wir kennen unsere Pferde hier alle eher vom Rufnamen her. Sonst wird man ja nie fertig, haha. Alles klar, ich war sowieso gerade fertig mit dem Schreibkram.“ Jana deutete mit rollenden Augen auf einen Stapel Unterlagen. Ich konnte verstehen, dass sie der Bürokrieg nervte, ist man als Reiter ja eher ein Praktiker als Theoretiker. „Angeschaut hatten wir ja schon alles, oder?“, fragte mich die Hofleiterin mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

Vor einigen Tagen hatte ich mir schon einmal einen Termin vereinbart und den Hof mit Jana zusammen angeschaut – und war gleich ganz aus dem Häuschen. Aus dem alten Gut war eine wahnsinnig moderne Reitanlage mit allem Drum und Dran geworden. Neue Paddock- und Hengstställe sowie vier weitere Offenställe waren gebaut wurden und auch die zwei Reithallen sowie Reitplätze waren grundlegend erneuert. Das alles bewachten 2 Hofhunde: während Armani einer von der ruhigeren Sorte war, rannte Felix die ganze Zeit zwischen unseren Beinen herum und wir mussten aufpassen, dass wir nicht über ihn drüber stolpern. Jana erklärte, dass gerade er bei neuen Leuten aufgeregt ist. So etwas wie ein Begrüßungsritual.
Schnell war bei diesem Vortermin alles geklärt. Ich hatte zügig das Mitgliedformular ausgefüllt sowie die ersten fälligen Kosten entrichtet. Ich hatte mich für eine Box im Paddockstall für Walley entschieden. Auslauf, wann er wollte und doch Kontakt zu anderen Pferden. Besser konnte es ein Pferd doch fast nicht haben.


Ein kurzes Hupen ließ mich hochschrecken. Ich hatte die Zeit, während ich auf mein Pferd wartete, im Reiterstübchen bei einem Kakao verbracht und war ein wenig im Social Media unterwegs. Nun ließ ich es mir aber nicht nehmen, nach draußen zu stürmen und so schnell wie möglich zum großen Schwarzen Geländewagen mit dem Pferdeanhänger zu kommen. Elias war schon ausgestiegen und auch Jana stand schon bereit. Ein Wiehern kam aus dem Inneren des Hängers und mehrere Pferdestimmen vom Hof antworteten.
„Bereit?“, fragte mich Jana und öffnete gleichzeitig mit mir den Hänger. Ich nickte vor mich hin. Schon war die Klappe unten und mir wurde ein schwarzer Pferdehintern entgegengestreckt. Ich musste grinsen. Nun ging ich in den Hänger und begrüßte meinen Walley erst mal mit einem Kuss auf seine weichen Nüstern. Mit gespitzten Ohren stupste er mich an, als wolle er mir auch Hallo sagen. Ich ging noch einmal sicher, dass alles in Ordnung war und führte ihn dann aus dem Hänger. Auch draußen begutachteten ich und Jana ihn noch einmal, aber alles schien in Ordnung. „Wow, das ist ja ein Hübscher.“, bemerkte Jana und ich musste noch einmal grinsen.
Elias kam zu mir: „Hey, ich mach mich dann wieder auf den Heimweg. Wir sehen uns heute Abend.“ Er musste wohl den Hänger schon ausgeräumt haben, während ich mit Walley und Jana zu tun hatte. „Danke, mein Schatz“, hauchte ich und gab meinem Freund noch einen Kuss, bevor er sich ins Auto schwang und langsam den Hof wieder verließ. Ich konnte echt immer auf ihn zählen!
„Na komm, schaffen wir ihn in seine neue Boy.“, schlug mir Jana vor. Ich nickte und wir machten uns auf den Weg zum Stall. Walley war schon etwas hibbelig, aber nicht zu extrem, sodass ich ihn mit ruhigem Gewissen in die Box stellen konnte. Die alten Stallbesitzer hatten ihn wohl heute früh noch einmal in die Führanlage gelassen, sodass er auch nicht vor Energie überstrotzte. „Da sind wir auch schon“, sagte ich mehr vor mich hin als zu Jana. Die Nachbarboxen waren noch frei, doch in nächster Zeit sollten auch die sich füllen. Walley war immer noch mit gespitzten Ohren bei der Sache. Ich schob die Boxentür auf und führe das Pferd an meiner Seite hinein. Dann zog ich ihm sein Halfter ab und ohne mich noch weiter zu beachten machte sich mein Schwarzer über die Ration Futter her, die bereits in seiner neuen Heimat lag. Ich musste schon wieder grinsen.
„Na du schaust ja so glücklich aus die ein Honigkuchenpferd“, witzelte Jana und machte die Tür wieder auf, sodass ich herausschlüpfen konnte. Ich warf noch einmal einen kurzen Blick hinein, während wir beiden Frauen der Stallgasse zum Hof folgten. „Ich danke dir für die Geduld, Jana.“ „Das ist doch kein Problem. Herzlich Willkommen auf Eichenau!“

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